Entwicklungen bei der Verwendung von Representation and Warranty Insurance bei M&A Transaktionen US-amerikanischer mittelständischer Unternehmen

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Vor zehn Jahren war die Representation and Warranty Insurance ("RWI")[1] noch ein exotisches Versicherungsprodukt in den USA; selten fand es Anwendung bei mittelständischen M&A Transaktionen. Hohe Prämien, eng begrenzte Deckungen, heikle Konditionen und ein undurchsichtiger Versicherungsvorgang ließen diese für die meisten Parteien unattraktiv erscheinen.

Inzwischen haben die Versicherer darauf reagiert. In den letzten fünf Jahren sind Prämien von mehr als 3,5% der Deckungssumme auf 2,5% bis 3,0% gesunken, und der typische Selbstbehalt ("Retention") wurde von 2% des Kaufpreises auf 1% reduziert. Außerdem ist die Versicherungsdeckung größer als bisher. Steuer- bzw. Umweltrisiken wurden früher durch teure Zusatzpolicen versichert; heute sind diese hingegen oft Teil der RWI-Police selbst.

Käufer und Verkäufer haben diese Entwicklungen bemerkt und dementsprechend Gebrauch davon gemacht. Heute werden Transaktionen im Wert ab $20 Mio. regelmäßig versichert und man findet RWI sogar beim Verkauf von Early Stage-Unternehmen. Die Vorteile und Verfügbarkeit von RWI – besonders bei mittelständischen M&A Transaktionen - sind nicht von der Hand zu weisen. Zweck dieses Artikels ist es, dem ausländischen Käufer bzw. Verkäufer einen Überblick der gängigen RWI-Praxis in den USA zu geben.

Kernbegriffe

  • Prämie: Die Prämie ist (oder war zumindest in der Vergangenheit) eine Aufwendung des Käufers. Es kommt aber vermehrt vor, dass der Verkäufer auch einen Teil dieser Last trägt (z.B. als "Transaction Expense"). In solchen Fällen ist es üblich, diese Aufteilung im Kaufvertrag festzulegen und manchmal auch zu begrenzen (z.B. X% der Prämie bis $Y).
  • Deckungssumme: Die Deckungssumme wird vom Käufer und dem Versicherer bestimmt; oft liegt sie bei 10% bis 20% des Kaufpreises.
  • Retention und Stepdown: Die typische Retention liegt anfangs bei 1% des Kaufpreises, wird normalerweise aber 12 Monate nach Abschluss auf 0,5% des Kaufpreises reduziert (der "Stepdown"). Parallel dazu wird im Kaufvertrag oft vereinbart, dass der Käufer für die erste Hälfte der Retention finanziell verantwortlich ist (z.B. durch einen entsprechenden zwischenparteilichen Selbstbehalt ("Deductible") in jener Höhe). Dadurch trägt der Verkäufer ein erheblich verringertes Risiko (eine effektive Haftungsgrenze von 0,5% des Kaufpreises) im Vergleich zu einem unversicherten Verkauf mit vereinbarten Entschädigungskonditionen (z.B. oft ein "Cap" von 7,5% bis 15% des Kaufpreises).
  • Versicherungsperiode: Bei unversicherten Transaktionen wird eine Klagefrist von 12 bis 24 Monaten für Schadenersatzansprüche hinsichtlich des Verstoßes einer allgemeinen (d.h. nicht "fundamentalen"[2]) Representation/Warranty vereinbart. Mit RWI kann der Käufer eine verlängerte Periode erzielen - normalerweise drei Jahre für nicht fundamentale Representations/Warranties und sechs Jahre für fundamentale Representations/Warranties. Zudem gibt es bei RWI oft eine Klagefrist von sechs Jahren hinsichtlich vor dem Abschluss entstandener Steuern.
  • Ausschlüsse: Ausgeschlossen werden vor allem bekannte Probleme und Risiken, weil der Zweck von RWI gerade der ist, die Parteien vor unerwarteten Risiken zu schützen. Demzufolge werden Tatsachen nicht abgedeckt, die dem Käufer schon bewusst waren (z.B. laufende Rechtsstreitigkeiten oder andere Angelegenheiten, die in den Disclosure Schedules zum Kaufvertrag stehen).[3] Demzufolge müssen die Mitglieder des "Deal Teams" des Käufers eine "No Claims Declaration" beim Abschluss abgeben.

Prozess

  • Versicherungsangebote: Wie bei anderen Versicherungsarten fängt der Prozess mit der Einholung von mehreren Quotierungen an. Normalerweise sammelt ein Vertreter vier bis sechs relativ vergleichbare Angebote auf bestimmten Deckungsniveaus (z.B. 10%, 15% oder 20% des Kaufpreises). Hauptsächlich unterscheiden sich diese in ihren Prämien, manchmal auch in der Retention oder den Ausschlüssen. Der Vertreter kann bei der Auswahl hilfreich sein.
  • Dokumentation: RWI entsteht durch einen Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherer und dem Käufer. Dies besteht oft aus einem kurzen Vorvertrag ("Binder Agreement") sowie einer ausführlicheren Versicherungspolice. In der Regel werden die Verhandlungen dieser Dokumente allein zwischen dem Käufer und dem Versicherer geführt. Trotzdem sollte auch der Verkäufer die Gelegenheit haben, diese zu überprüfen bzw. kommentieren, weil sich der Versicherungsvertrag auf die Entschädigungsbestimmungen des Kaufvertrages einwirkt. Üblicherweise wird eine Kopie des Versicherungsvertrags dem Kaufvertrag angehängt.
  • Underwritingvorgang: Der Underwritingvorgang besteht aus einer Analyse des Kaufvertrags sowie des Due Diligence Berichts des Käufers bzw. seiner Berater durch den Versicherer.[4] Wie bei einem externen Finanzierungsprozess warten die Parteien bis der Kaufvertrag, die Disclosure Schedules und andere Anhänge weitestgehend fertig sind. Normalerweise dauert die Überprüfung dieser Materialien 3 bis 10 Werktage. Danach findet ein Underwriting-Gespräch zwischen Versicherer und Käufer statt, in dem der Versicherer die Gründlichkeit der Due Diligence des Käufers bestätigt und ungeklärten Fragen nachgeht.

Vorteile und Nachteile

  • Vorteile: RWI hat Vorteile für beide Parteien. Die deutlich längeren Klagefristen von RWI sichern den Käufer gegen das Risiko unerwarteter Probleme ab. Außerdem kann RWI ein Kaufangebot attraktiver machen, insbesondere bei Auktionsverfahren. Andererseits verringert RWI die Wahrscheinlichkeit eines Schadenersatzanspruches sowie erlaubt die prompte Ausschüttung des (fast) gesamten Kaufpreises nach dem Abschluss. Bei Private Equity Verkäufern ist diese Gewissheit besonders beliebt, weil sie den Erlös umgehend an ihre LPs austeilen können. Schließlich können die relativ einheitlichen Bedingungen eines typischen RWI-Vertrags dabei helfen, die umstrittensten und zeitaufwändigsten Elemente der Verhandlungen des Kaufvertrags zu vereinfachen.
  • Nachteile: Der offensichtlichste Nachteil von RWI ist die Prämie - oft etwa 2,5% bis 3,0% der Deckungssumme. Obwohl dieser Aufwand in der Vergangenheit fast immer vom Käufer getragen wurde, wird sie heute relativ oft zwischen den Parteien aufgeteilt. Außerdem müssen die Parteien mit dem Underwriting-Vorgang zurechtkommen. Aus unserer Erfahrung ist dieser Prozess weder lästig noch langwierig; die Versicherer reagieren schnell und respektieren den Zeitplan der Parteien.

RWI kann den Kaufprozess erleichtern sowie die Risiken beider Parteien wesentlich reduzieren.  Heute stellt RWI eine zunehmend wichtige Rolle bei mittelständischen M&A in den USA dar und sollte bei solchen Transaktionen stets in Betracht gezogen werden.

Über den Autor: Adam Konrad ist Shareholder bei Reinhart Boerner Van Deuren in Chicago, Illinois (USA).

Dieser Artikel stellt allgemeine Informationen zur Verfügung und darf weder als eine Rechtsberatung noch als ein Rechtsgutachten betrachtet werden. Leser sollten sich hinsichtlich ihrer eigenen Sachverhalte rechtlich beraten lassen. Dieser Artikel könnte in einigen Jurisdiktionen als Werbung betrachtet werden.

[1] Als Begriff wird RWI fast immer als eine sogenannte "Buy Side" Versicherungspolice verstanden. "Buy Side" ist eine Fehlbezeichnung, weil solche Policen zugunsten beider Parteien wirken. Weit seltener gibt es aber auch "Sell Side" RWI, was prinzipiell allein dem Verkäufer nützlich ist. Dieser Artikel konzentriert sich nur auf "Buy Side" RWI.

[2] "Fundamentale" Representations/Warranties werden bei jeder Transaktion verhandelt, umfassen aber fast immer die Representations/Warranties bezüglich "Organization," "Authority," "Capitalization/Ownership of Shares," "Broker/Finder Fees" und "Taxes".

[3] Dies bedeutet aber nicht, dass die Risiken unversicherter Angelegenheiten dem Käufer obliegen. Vielmehr werden die im Kaufvertrag sich darauf beziehende Entschädigungsbestimmungen - ähnlich wie bei einer unversicherten Transaktion - angewandt.

[4] Im Gegensatz zu der in Europa gebräuchlichen "Vendor Due Diligence" werden in die USA diese Berichte vom Käufer angefertigt, und nur ohne Gewähr bzw. gegen Empfang eines "Non-Reliance Letters."

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