Der Weg in die USA: Grundüberlegungen zur Wahl der Rechtsform einer amerikanischen Tochtergesellschaft (Teil 1)

  1. Home
  2. News & Insights
  3. Der Weg in die USA: Grundüberlegungen zur Wahl der Rechtsform einer amerikanischen Tochtergesellschaft (Teil 1)

Laut einer neu erschienenen Studie des Statistischen Bundesamtes, sind die USA der wichtigste Exportmarkt Deutschlands außerhalb der EU.1 Während viele deutsche Unternehmen schon seit Jahren oder Jahrzehnten in den USA tätig sind, versuchen viele - besonders mittelständische - Firmen erst jetzt ihre Chancen dort zu nutzen. Egal, ob es sich um einen multinationalen Konzern oder ein KMU im Familienbesitz handelt, bei der Begegnung mit dem - manchmal verwirrenden - amerikanischen Rechtssystem tauchen häufig die gleichen Fragen auf. Ziel dieser Reihe ist es, diese Fragen praktisch zu beantworten sowie einige Grundkenntnisse über die gegenwärtige Rechtslage in den USA zu vermitteln.

Im Fokus dieses Artikels sowie seiner Nachfolger steht die Wahl der Rechtsform bei der Gründung einer amerikanischen Tochtergesellschaft; spätere Erscheinungen werden sich mit Themen wie Handels- bzw. Vertragsrecht, Vertretern und Vertriebshändlern, Geistigem Eigentum u.Ä. befassen.

Zu Beginn muss jeder, der eine amerikanische Tochtergesellschaft gründen will, zwei Fragen beantworten:

  • Nach welchem Recht soll diese gegründet werden (z.B. nach dem herrschenden Recht Delawares, Nevadas, New Yorks usw.)?
  • Welche Art von juristischer Person soll es sein (z.B. Corporation, Limited Liability Company, Partnership usw.)?

Anwendbares Recht

Ähnlich wie Deutschland sind die USA ein Staat bestehend aus teilsouveränen Gliedstaaten. Im Kontrast zum deutschen System, wird Gesellschaftsrecht in den USA auf Länder- und nicht auf Bundesebene entschieden. Obwohl die 512 Gesellschaftsrechtssysteme viele Ähnlichkeiten aufweisen (besonders diejenigen, die den Gesetzen von Delaware oder den Mustern der ABA oder NCCUSL entsprechen), muss man immer darauf achten, dass jeder Staat nicht nur sein eigenes Gesetz, sondern auch seine eigenen Gerichtsentscheidungen hat, die zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen können.

Ähnlich wie man ausländische Rechtsformen (z.B. die englische Limited) in Deutschland nutzen darf, kann eine Gesellschaft, die nach dem Gesellschaftsrecht eines Staates (z.B. Delaware) gegründet wurde, Tätigkeiten in anderen Staaten (z.B. Illinois) ausüben.3 Als Gründungsstaat wird oft Delaware empfohlen. Dies unter anderem deshalb, weil Delaware über die bei weitem umfangreichste Fülle von Urteilen verfügt. Kommentare beschränken sich häufig auf die Rechtsprechung Delawares oder die der "beliebtesten" Staaten (neben Delaware etwa Nevada oder New York). Außerdem gewähren die Gesetze von Delaware ein gewisses Maß an Flexibilität hinsichtlich der Gestaltung bzw. Führung einer Gesellschaft und die dortigen Behörden reagieren etwas schneller als diejenigen in anderen Staaten. Trotzdem könnten die Gesetze eines anderen Staates den Zielen des Gründers bzw. der Gründer besser entsprechen; demgemäß sollten bei der Wahl des Gesellschaftrechts bzw. Gründungsstaates die folgenden Faktoren immer berücksichtigt werden:

  • voraussichtlicher Hauptsitz des Betriebs,
  • Veröffentlichungspflichten gegenüber der Öffentlichkeit, den Behörden und den Eignern,
  • Besteuerung auf Staatsebene (besonders wenn die Gesellschaft eine Präsenz in mehreren Staaten haben wird),
  • Einschränkungen bei der Erteilung von Bewilligungen bzw. Lizenzen sowie die Verfügbarkeit von Subventionen und anderen Fördermitteln und
  • Kooperationsbereitschaft bzw. Ansprechbarkeit der Behörden.

Die obigen Punkte zeigen, dass die Wahl des anwendbaren Rechts eng mit betriebsbedingten Gegebenheiten verbunden ist. Besonders wenn staatliche Genehmigungen oder Lizenzen unentbehrlich sind, sollte man sorgfältig überlegen, anstatt unwillkürlich auf das Recht Delawares zurückzugreifen.

Art der juristischen Person

Nachdem man sich für ein Gesellschaftsrecht bzw. einen Gründungsstaat entschieden hat, muss die Art der juristischen Person ausgewählt werden. Die gängigsten drei sind Corporations, Limited Liability Companies (LLCs) und Partnerships. Nachstehend sind zunächst einige allgemeine Merkmale von Corporations beschrieben; der nächste Teil dieser Reihe wird dann die wichtigsten Merkmale der LLCs sowie der Partnerships umreißen.

Corporation

  • Eine Corporation ist eine juristische Person, die einer deutschen AG oder GmbH ähnelt.
  • Eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen dürfen Aktionäre (Shareholder4) einer Corporation sein; dies gilt (mit einigen Ausnahmen5) auch für ausländische Personen.
  • Im Prinzip benötigt eine Corporation kein Grund- bzw. Stammkapital. Außerdem muss der Nennbetrag der Aktien (wenn es überhaupt einen gibt) nicht auf volle Dollar lauten. Trotzdem (oder vielleicht aus Furcht vor einer Durchgriffshaftung) werden Corporations häufig mit etwas (wenn auch nur geringem) Eigenkapital gegründet; niedrige Nennbeträge (z.B. in der Höhe von einem Cent) sind nicht ungewöhnlich.
  • Die Haftung der Shareholder für die Schulden der Corporation ist normalerweise auf die Höhe ihrer Anteile begrenzt. Dennoch ist eine Durchgriffshaftung möglich, wenn bestimmte Tatbestände (z.B. Vermögensvermischung, Unterkapitalisierung, Betrug usw.) vorliegen.
  • Die Gründung einer Corporation erfolgt durch das Einreichen einer Gründungsurkunde (Articles of Incorporation6) bei der zuständigen Behörde (oft "Secretary of State" o.ä. genannt). Beglaubigungen oder andere notarielle Verfahren sind nicht nötig. Das Ausstellen einer Empfangs- bzw. Gründungsbestätigung kann zwischen einer Stunde und mehreren Tagen dauern, was hauptsächlich von der Behörde des Gründungsstaates abhängt.
  • Weil die Articles of Incorporation öffentlich einsehbar sind, beschränkt sich ihr Inhalt in der Regel auf gesetzlich erforderliche Angaben wie:
    • die Firma, die normalerweise "Incorporated", "Corporation", "Company", "Limited" o.Ä. enthält,
    • Informationen über das autorisierte Aktienkapital (z.B. Gattung bzw. Anzahl der Aktien und ihre Nennwerte, Stimmrechte, Dividenden- bzw. Rückkaufsansprüche usw.) und
    • die Anschrift einer Person innerhalb des Gründungsstaates, die gerichtliche Zustellungen im Auftrag der Corporation empfangen kann (Registered Agent).7
  • Neben den Articles of Incorporation hat eine Corporation eine Satzung (Bylaws), die die Rahmenbedingungen für die Führung der Corporation darlegt. Wenn eine Corporation mehrere Shareholder hat, schließen sie oft einen Aktionärsvertrag ab, der Themen wie die Übertragung der Aktien sowie das Ausüben der Stimmrechte regelt. Im Gegensatz zu den Articles of Incorporation sind diese Dokumente nicht öffentlich abrufbar (es sei denn, die Corporation ist börsennotiert).
  • Die Shareholder wählen jährlich einen Verwaltungsrat (Board of Directors), dessen Aufgaben diejenigen des Vorstands und des Aufsichtsrats einer AG in etwa vereint. Eine davon ist die Bestellung der Officers, die für die tägliche Betriebsführung der Corporation verantwortlich sind. Die Größe des Board of Directors sowie die Titel der wichtigsten Officers werden oft in den Bylaws festgelegt.8 Im Regelfall9 ist es Ausländern sowie Nicht-Shareholder gestattet, Mitglieder des Board of Directors sowie Officers zu sein.
  • Eine Corporation unterliegt einer Körperschaftssteuer sowohl auf Bundes- als auch auf Staatsebene. Heute liegt der Bundeskörperschaftssteuersatz zwischen 15% und 35%, obwohl Unternehmen oft mit einem gemischten Körperschaftssteuersatz (d.h. Staatskörperschaftssteuer berücksichtigend) von glatt 40% rechnen. Eine Sonderform der Corporation - die so genannte "S Corporation"10 ist eine Corporation, deren Einkünfte auf Bundesebene ähnlich (aber nicht gleich) wie die einer LLC oder einer Partnership besteuert werden. Aber weil nur U.S.- Staatsbürger, U.S.-ansässige natürliche Personen und bestimmte Trusts Shareholder einer S Corporation sein dürfen, ist die S Corporation keine mögliche Alternative für ausländische Investoren.

Die Corporation wird häufig von ausländischen Unternehmen als Rechtsform für eine Tochterfirma gewählt, und nicht ohne Grund. Sie ist allgemein verbreitet, weist viele Parallelen zu anderen ausländischen Rechtsformen auf und ist für ausländische Steuerbehörden oft leicht einzustufen. In der Fortsetzung wird ein ähnlicher Überblick über LLCs und Partnerships gegeben, die einerseits einige Gemeinsamkeiten mit Corporations aufweisen, andererseits dem Eigentümer manchmal mehr Gestaltungs- bzw. Führungsflexibilität als eine Corporation gewähren.

Über den Autor: Adam Konrad ist Shareholder in den Business Law-, International- und Steuergruppen von Reinhart Boerner Van Deuren.

Dieser Artikel stellt allgemeine Informationen zur Verfügung und darf weder als eine Rechtsberatung noch als ein Rechtsgutachten betrachtet werden. Leser sollten sich hinsichtlich ihrer eigenen Sachverhalte rechtlich beraten lassen. Dieser Artikel könnte in einigen Jurisdiktionen als Werbung betrachtet werden.

Über den Autor: Adam Konrad ist Shareholder in den Business Law-, International- und Steuergruppen von Reinhart Boerner Van Deuren.

Die Corporation wird häufig von ausländischen Unternehmen als Rechtsform für eine Tochterfirma gewählt, und nicht ohne Grund. Sie ist allgemein verbreitet, weist viele Parallelen zu anderen ausländischen Rechtsformen auf und ist für ausländische Steuerbehörden oft leicht einzustufen. In der Fortsetzung wird ein ähnlicher Überblick über LLCs und Partnerships gegeben, die einerseits einige Gemeinsamkeiten mit Corporations aufweisen, andererseits dem Eigentümer manchmal mehr Gestaltungs- bzw. Führungsflexibilität als eine Corporation gewähren.


1 DESTATIS, Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland (mit Umsatz und Saldo), 2012, erschienen am 18.06.2013. Siehe auch:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Handelspartner/Tabellen/RangfolgeHandelspartner.p df?__blob=publicationFile.
2 Neben den 50 Gliedstaaten hat Washington D.C. sein eigenes Gesellschaftsrecht und wird aus Sicht des IRS wie ein Staat behandelt.
3 In solcher Situationen muss die Gesellschaft sich in dem Wirtstaat "qualifizieren" lassen, was normalerweise ein relativ einfaches Verfahren ist.
4 In Delaware werden die Aktionäre oft "Stockholder" anstatt "Shareholder" genannt.
5 Einige allgemeine Eigentumsbeschränkungen existieren auf der Bundesebene in den Luftfahrt-, Maritim-, Telekommunikationsund Bankensektoren. Außerdem gibt es in einigen Staaten ähnliche Regeln hinsichtlich der Agrarwirtschaft bzw. Immobilienindustrie.
6 In Delaware heißt die Gründungsurkunde einer Corporation "Certificate of Incorporation".
7 Oft findet man Musterbeispiele bzw. Formulare für die Articles of Incorporation auf der Webseite der zuständigen Behörde, diese können als Ausgangsbasis dienen.
8 Die gängigsten Titel sind "President", "Secretary" und "Treasurer"; dieselbe Person darf mehrere Posten bekleiden (z.B. Mitglied des Board of Directors sowie President, Secretary sowie Treasurer usw.).
9 Wegen Sicherheitsbedenken (z.B. im Rahmen von Regierungsaufträgen) kann es in Ausnahmefällen vorkommen, dass der Board of Directors von U.S.-Staatsangehörigern kontrolliert werden muss.
10Im Vergleich mit einer so genannten gewöhnlichen "C Corporation" - diese Begriffe leiten sich von Subchapter C sowie Subchapter S des U.S. Internal Revenue Code ab.

Posted

Related Practices

Related People